Jakobswege in Europa

Ganz genau genommen gibt es nur einen wirklichen historischen Jakobsweg, den Camino Santiago, auch Camino Frances genannt. Dieser uralte, erstmals im Jahr 1047 urkundlich erwähnte Pilgerweg führt vom spanischen Puente la Reina bzw. vom französischen St.Jean Pied de Port nach Santiago de Compostela, wo sich das Grab des Apostel Jacobus befindet. Und seit rund 1000 Jahren gehen gläubige Menschen, die Gelübde erfüllen, Buße tun oder zu sich selbst finden wollen, diesen insgesamt rund 800 Kilometer langen Weg, der zum drittheiligsten Ort der Christenheit nach Jerusalem und Rom führt. Die Strecke über Jaca, Pamplona, Burgos und Leon folgt dabei der mittelalterlichen Hauptverkehrsachse durch den Norden Spaniens.

Im 12/13.Jahrhundert entstanden nach dem Vorbild des Jakobsweges weitere Pilgerwege durch Spanien und Portugal nach Santiago de Compostela. Die bekanntesten sind der 250 Kilometer lange Caminho Portugues, der 850 Kilometer lange spanische Camino del Norte, der 300 Kilometer lange spanische Camino Primitivo und der über 1000 Kilometer lange spanische Camino Via de la Plata. Aber auch in anderen Regionen Europas, zum Beispiel in Italien und in Frankreich gab es Pilgerwege.

Entstehung der Jakobswege

Etwa im 16.Jahrhundert, vor allem bedingt durch die Reformation und durch Kriege ging die Zahl der Pilger nach und nach zurück, obwohl es zu allen Zeiten Menschen gab, die auf Pilgerreise gingen. Erst um 1950 erwachte wieder mehr das Interesse an den spirituellen Pilgerpfaden und ab der Zeit entstanden immer mehr neue zum Beispiel in der Schweiz, in Österreich, Deutschland, den Niederlanden, Polen und Ungarn. Meist beruht ihre Streckenführung auf uralten Urkunden und Berichten, die bezeugen, dass hier Pilger entlanggezogen sind. Nach und nach prägte sich für alle diese Pilgerwege die Bezeichnung Jakobsweg ein, so das dieser Name heute praktisch mit Pilgerpfad gleichzusetzen ist. Registrierte die offizielle Pilgerbehörde in Santiago de Compostela 1950 noch nur 3000 Jakobs-Pilger waren es im Jahr 2000 schon rund 75.000 und im Jahr 2004, dem „Heiligen Compostelischen Jahr“ fast 180.000. Dazu kommt, dass es immer mehr prominente Jakobspilger gibt, das Bücher geschrieben und Filme darüber gedreht werden, was man bei einer modernen Pilgerreise erleben kann. Heute pilgern auch längst nicht mehr alle Menschen aus religiösen Gründen heraus. Viele wollen auch nur die Natur erleben und anderen Menschen begegnen, einen Teil der Welt zu Fuß erobern.

Natürlich hat nicht jeder, der pilgern möchte die Möglichkeit und die Zeit wochen-oder monatelang zu pilgern. Deshalb sind für viele Menschen auch die kleineren Abschnitte der Jakobswege interessant, von denen es inzwischen unzählige gibt. Deutschland hat heute ein sehr gut ausgebautes und weit reichenden Netz an Jakobswegen. Die einzelnen Teilstrecken können für sich begangen werden aber über verschiedene Anschlußstrecken kann, wer will auch bis nach Spanien gelangen und seine Pilgertour in Santiago de Compostela beenden. Überall auf diesen Pilgerwegen gibt es Wegweiser, es existieren unzählige Wanderführer und Karten. Oft verlaufen die Pilgerpfade auf regionalen Wanderwegen wie zum Beispiel den Rheinsteig oder den Eifelsteig. Die Pilgerer finden genügend Übernachtungs-und Einkehrmöglichkeiten, sowohl in Hotels und Gasthäusern als auch in kirchlichen Einrichtungen. Und nicht zuletzt finden sich auf den Wegen auch viele historische Städte, Schlösser und Burgen, Klöster und Kirchen. Mittlerweile gibt es sogar organisierte Wanderreisen/Pilgerreisen auf dem Jakobsweg, bei denen den Pilgern sehr viele Unannehmlichkeiten abgenommen werden.

Unterschiedliche Jakobswege

Mit der Wiederbelebung der Pilgertradition zu Beginn dieses Jahrzehnts, sind zahlreiche Jakobswege aus dem Mittelalter wiederentdeckt worden. Heute kennt man bis zu 30 verschiedene Jakobswege, die über ganz Europa miteinander verzweigt sind. Ihr Ziel ist aber dennoch das Gleiche – das Grab des Apostels Jakobus im spanischen Santiago de Compostela. 1987 wurde dieses Wegenetz zur ersten Kulturstraße Europas erhoben. Die Zuerkennung als Weltkulturerbe, durch die UNESCO, erhielten 1993 und 1998 sowohl der spanisch-französische Pilgerweg „Camino Francés“ als auch die vier französischen Hauptwege der Jakobspilger. Ausschlaggebend hierfür war ihre Erwähnung im mittelalterlichen „Liber Sancti Jacobi“ aus dem 12. Jahrhundert.

Nach den zahlreichen Publikationen durch diverse Prominente aus dem Show- und Mediengeschäft, erlebte die Tradition des Pilgerns auf dem Jakobsweg einen wahren Boom. Seit dem Ende der 1990er Jahren steigen die Besucherzahlen wieder kontinuierlich an. So folgten zu Beginn dieses Jahrzehnt mehr als 272.000 Menschen den unterschiedlichen Routen der Jakobswege. Allein 14.500 von ihnen waren Deutsche. Nähere Untersuchungen zeigten, dass das Gros der Wallfahrer ihre Erfahrungen völlig unabhängig vom Glauben und der Kirche machen wollten. Obwohl die Wallfahrten im eigentlichen Sinn eine rein katholische Angelegenheit sind, ist dennoch der Anteil der Konfessionslosen unter den modernen Pilgern recht hoch. Anstelle der klassischen religiösen Motive, sind solche rein weltlicher Natur getreten. Die heute vielfach beklagte Vermarktung des Pilgergedankens, gab es allerdings schon im Mittelalter. Denn zu allen Zeiten wurden die Pilgerfahrten auch als eine lukrative Geldquelle angesehen.

Erster klassischer Jakobsweg – Camino Francé

Dabei standen bei der Entstehung des ersten klassischen Jakobsweges, dem Camino Francés, reine wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Denn seit dem 11. Jahrhundert waren die christlichen Herrscher in Nordspanien verstärkt darum bemüht, in den unwirklichen Gegenden der Pyrenäen Gläubige aus Frankreich anzusiedeln. Die neugründeten Marktflecken wurden mit entsprechenden freiheitlichen Rechten und Steuerprivilegien bedacht. Auch spielte hierbei der Hintergrundgedanke mit, den christlichen Glauben in Nordspanien durch Neuansiedlungen weiter zu festigen, während beträchtliche Teile des Südens, seit dem 8. Jahrhundert, zum Osmanischen Reich gehörten. Ab 1050 häuften sich Hospitalstiftungen entlang des Weges, so dass um 1130 alle 15 Kilometer Hospitäler für die erschöpften Pilger bereitstanden. Die höchste Verdichtung an karitativen Einrichtungen wurde schließlich im 14. Jahrhundert erreicht.

Der Camino Francés (diese Bezeichnung ist seit dem 12. Jahrhundert urkundlich belegt) beginnt jeweils ab den Pyrenäenpässen von Roncesvalles in Navarra und dem von Somport in Aragonien. Die beiden Stränge führen nach Puente la Reina, wo sie sich letztendlich vereinigen. Von dort geht es weiter nach Burgos, León und Astorga. Die letzte Etappe ist schließlich Santiago de Compostela. Ein Pilgerführer aus dem 12. Jahrhundert nennt vier Jakobswege, die durch Frankreich führen. Ihre Ausgangspunkte liegen jeweils in Paris, Vézelay, Le Puy und in Arles. Im ihrem weiteren Verlauf stoßen sie entweder kurz vor oder nach den Pyrenäen aufeinander. Entlang des Weges lagen zahlreiche Städte und Kirchen, die Gräber von Heiligen beherbergten. Die einzelnen Streckenführungen besaßen über Jahrhunderte hinweg ihre Gültigkeit. Während dieser Zeitspanne entwickelte sich ein wahres Netz weiterer Wege, deren weiteren Verläufe durch die vier Hauptwege bestimmt wurden. So wurde beispielsweise die Via Tolosana in Arles zu einem solchem Knotenpunkt. Hier mündete zum einen der schweizerische Weg aus dem Rhonetal ein sowie jener aus der italienischen Riviera.

Die mittelalterlichen Pilger aus Nordeuropa nutzten ab Aachen und Trier, die alten römischen Verkehrswege in Richtung Reims, Arlon und Metz. Von hier aus gelangten sie auf die historischen französischen Pilgerwege in Le Puy und Vézelay. Die Pilger aus Großbritannien starteten ihre Pilgerfahrt zumeist in London und setzten dann vom südenglischen Hafen Southampton entweder nach La Rochelle, Bordeaux oder A Coruna auf das europäische Festland über. Die mittelalterlichen Pilger aus Deutschland nutzten vielfach das zur ihrer Zeit bestehende Straßennetz. Die heute bekannten speziellen Pilgerwege sind dagegen meist Neuerungen der Gegenwart. Der mittelalterliche Pilger hingegen traf seine Wahl nach der jeweiligen Infrastruktur, welche entlang des Weges zu finden war. Die Wegstrecken, die eine ausreichende Versorgung und Übernachtung gewährleisten konnten, wurden besonders bevorzugt.

Erfahrungen zum Pilgerweg: